In Deutschland setzen die ACD-Zuechter alles daran, in ihrer Rasse
die Vererbung von Taubheit einzudaemmen.
Die Taubheit bei Hunden, zumindest jene, von der wir hier reden, ist
genetisch bedingt. Sie entsteht also nicht durch Infektionen oder andere
Krankheiten. Sie ist also erblich, keine Krankheit, maximal eine Behinderung.
Gleichzeitig bedeutet diese polygenischen Ursache, daß die Taubheit
aus den betroffenen Rassen nicht herausgezuechtet
werden kann (R.v. Mayr). Allerdings weiß man umgekehrt,
daß Taubheit vermehrt auftritt, wenn auch nur ein Elterteil einseitig
taub ist. Das haben inzwischen auch die deutschen Rassevereine des Dalmatiners
erkannt und in ihre Zuchtverordnungen entsprechende Vorschriften aufgenommen.
Demnach duerfen in der Zucht keine Hunde verwendet werden, die nicht
beidseitig hoerend sind. Daß dies mehr als Sinn macht, zeigen
wissenschaftliche Studien. Drei namhafte Veterinaermediziner in Nordamerika
haben sich mit der empirischen Untersuchung der Vererbung von Taubheit
befaßt. Dr. G.M. Strain, Dr. Vilma Yusbasiyan-Gurkan und Dr. Susanne
Hughes.
In von einander unabhaengigen Studien sind sie zu folgenden Ergebnissen
gekommen:
die Eltern sind:
|
die Nachkommen aus dem Wurf sind:
|
|
einseitig taub: |
total taub: |
beidseitig hoerend |
15 - 21 % |
3 - 6 % |
ein Elternteil einseitig
taub |
16 - 35 % |
11 - 13 % |
Das heißt im Klartext, wenn auch nur ein Elternteil
einseitig taub ist, vervielfacht sich das Vorkommen von totaler Taubheit
bei der Nachkommenschaft.
Das ist um so fataler, da einseitige Taubheit oft uebersehen wird. Denn
ein solcher Hund verhaelt sich voellig normal. Anders als beim total
tauben Hund kann dieser Schaden oft ein Leben lang uebersehen werden.
Wird dann ein solcher Hund auch noch in der Zucht verwendet, entsteht
ein Schneeballeffekt. Daß beidseitig taube Hunde nicht in der
Zucht verwendet werden, ist wohl jedem klar, und bedarf hoffentlich
keiner weiteren Ausfuehrung.
Hunderassen mit bekannter, angeborener Taubheit
nach einer Tabelle von George M. Strain, PhD.
Akita, Altenglischer Schaeferhund, American Staffordshire Terrier, Australian
Cattle Dog, Australian Shepard, Beagle, Bernhardiner, Bichon Frise,
Border Collie, Boston Terrier,Boxer, Bulldogge, Bull Terrier, Catahoula
Leopard Dog, Cavalier, King Charles Spaniel, Chow Chow, Cocker Spaniel,
Collie, Dachshund, Dänische Dogge, Dalmatiner, Deutscher
Schaeferhund, Dobermann, Dogo Argentino, Englische Bulldogge, Englischer
Cocker Spaniel, Englischer Setter, Foxhound, Fox Terrier, Französiche
Bulldogge ,Ibizenco,Italienischer Greyhound, Jack Russell Terrier,
Kuvasz, Labrador Retriever, Malteser, Mongrel, Norwegischer Dunkerhound,
Papillon, Pit Bull Terrier, Pointer, Puli, Pyrinäenhund, Rhodesian
Ridgeback, Rottweiler, Schnauzer, Scottish Terrier, Sealyham Terrier,
Shetland Schaeferhund, Shropshire Terrier, Siberischer Husky, Springer
Spaniel, Sussex Spaniel, Tibet-Terrier, Toy Poodle, Walker American
Foxhound, West Highland White Terrier, Whippet, Yorkshire Terrier, Zwerg-Pinscher,
Zwerg-Pudel
Es wird von einer grossen Anzahl Rassen berichtet, die von angeborener
Taubheit betroffen sind. Nicht bei allen ist bewiesen, dass sie etwas
mit Vererbung zu tun haben. Die dort fett gedruckten Rassen sind bekannt
als Rassen mit hohem Vorkommen, aber ein aehnlich hoher Anteil kann
auch bei andern Rassen existieren, bei denen aber nicht regelmaeßig
getestet wird. Allerdings ist die Anzahl der gemessenen Tiere pro Rasse
sehr unterschiedlich. Im Ergebnis der von Dr. Strain erfassten Tiere
zeigen die Dalmatiner das hoechste Aufkommen in den Messungen aber auch
in den positiven Ergebnissen. Rund 30 % dieser Rasse sind einseitig
oder beidseitig taub, bei den anderen Rassen liegt dieser Wert zwischen
8 und 20 Prozent. Normalerweise kommen zwei bis drei einseitig taube
Tiere auf jedes beidseitig taube Tier.
|
Genetik der Taubheit
Taubheit in Verbindung mit Pigmenten ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt,
aber der Vererbungsmechanismus ist immer noch nicht vollstaendig erforscht.
Das Merle-Gen, welches fuer die Musterung des Felles mit dunklen und
hellen Haaren verantwortlich ist, ist ein einfaches, autosomales, dominantes
Gen. Hunde, die bzgl. des Merle-Gen homozygotisch (= gleichartige Erbanlagen)
sind, sind gewoehnlich taub und haeufig voellig weiß, blind und
steril. Heterozygoten (Mischerbige) haben mit zunehmendem Weiß-Anteil
im Fell auch eine zunehmende Tendenz zur Taubheit. Obwohl das Merle-Gen
ein dominantes Gen ist, wird die Taubheit nicht als einfach dominante
(oder rezessive) Stoerung vererbt.
Die Scheckungs- oder extremen Scheckungs-Gene, die fuer die weißen
Haare bei Rassen ohne Merle-Gene zustaendig sind, sind einfach, autosomal
und rezessiv. Als Ergebnis sind Tiere mit ueberwiegend weißen
Flaechen homozygotisch. Ein Beispiel sind die Dalmatiner, von denen
alle bzgl. des extremen Scheckungs-Gens homozygotisch sind. Die schwarze
(dominante) oder braune (rezessive) Grundfarbe wird ueberdeckt durch
das extreme Scheckungs-Gen, und Flecken werden durch das Weiß
hindurch produziert vom dominanten Ticking-Gen. Die Dichte und Staerke
der Fleckung wird also vom Ticking-Gen kontrolliert und nicht vom Scheckungs-Gen
und spielt bezüglich dem Taubheitsvorkommen keine Rolle.
Ausgehend von Untersuchungen beim Dalmatiner ist die Taubheit bei Rassen
mit dem Scheckungs-Gen weder rezessiv noch dominant. Die Zucht mit beidseitig
hoerenden Eltern bringt immer wieder taube Nachkommen hervor, also ist
der Mechanismus nicht einfach dominant. Die Zucht mit zwei beidseitig
tauben Eltern bringt sowohl taube als auch hoerenden Nachwuchs hervor;
letzteres koennte nicht vorkommen, wenn der Defekt einfach rezessiv
waere und beide Elternteile homozygotisch waeren. Vererbung von Taubheit
in Verbindung mit dem Scheckungs-Gen muss also polygenetisch sein oder
beinhaltet unvollstaendige Auspraegung oder Durchdringung, oder Kombinationen
davon.
Molekular-genetische Studien zur Taubheit bei Menschen und Maeusen gehen
davon aus, dass die Taubheit von einem Gen verursacht wird, das fuer
die Regulierung der Scheckungs-Gene zustaendig ist. Bestaetigt wird
dies durch weitere Feststellungen beim Dalmatiner. Eine Platte, engl.
patch, beim Dalmatiner ist ein großer schwarzer oder brauner Fleck
beim neugeborenen Welpen, der normalerweise voellig weiß ist;
Platten sind im Zuchtstandard des Dalmatiners nicht erlaubt. Die Platten
sind vermutlich die Folge einer schwachen Auspraegung des extremen Scheckungs-Gens,
was zu einem Versagen beim Ueberdecken der darunterliegenden Fellfarbe
fuehrt. Dalmatiner mit Platten sind statistisch gesehen weniger von
Taubheit betroffen als diejenigen ohne. Wenn das extreme Scheckungs-Gen
stark ausgepraegt ist, wird das braune Pigment in der Iris unterdrueckt,
was blaue Augen bedeutet (und haeufig das Fehlen von Pigmenten im Tapetum
lucidum), und die Melanozyten in der Stria vascularis der Cochlea werden
unterdrueckt, was zur Taubheit fuehrt.
|